10.11.2023
Gefängnisgebäude haben oft eine lange Geschichte, wurden zu verschiedenen Zeiten und unter unterschiedlichen Systemen benutzt. So war Fort Zinna im sächsischen Torgau schon im Jahr 1890 eine Haftanstalt und ist es bis heute.
Während des Zweiten Weltkriegs war in Fort Zinna das größte aller acht deutschen Militärgefängnisse untergebracht. Ein zweites Torgauer Militärgefängnis befand sich in der Brückenkopf-Kaserne. Militärgefängnisse: In der heutigen Bundesrepublik gibt es das nicht mehr, doch in der deutschen Geschichte und auch der anderer Länder waren und sind solche speziellen Haftanstalten üblich. Neben Soldaten, die sich widersetzt hatten, saßen in den NS-Militärgefängnissen auch Widerstandskämpfer aus ganz Europa ein. Ihren Haftalltag kennzeichneten Gewalt, Hunger und Zwangsarbeit bis hin zur absoluten Erschöpfung.
In Torgau befand sich neben den beiden Militärgefängnissen ab 1943 auch das oberste der NS-Militärgerichte, das Reichskriegsgericht. So war die Stadt während der NS-Zeit das Zentrum militärischer Gerichte und Gefängnisse. Die Militärgerichte wurden in der NS-Zeit - genauso wie die Haftanstalten - komplett an der NS-Ideologie ausgerichtet. Denn auch mithilfe der Gerichte sollte jeglicher Widerstand gegen die NS-Politik unterbunden werden. Dazu ergingen zahllose Unrechtsurteile. Am deutlichsten lässt sich das an der unglaublichen Zahl von mehr als 30.000 Todesurteilen erkennen; die meisten davon verhängten die Militärgerichte gegen Deserteure.
Der Erinnerungsort Torgau geht über die NS-Zeit hinaus und widmet sich der Geschichte der Torgauer Gefängnisse unter allen Diktaturen des 20. Jahrhunderts. Schließlich wurde Fort Zinna nach der NS-Zeit sowohl von den sowjetischen Besatzern als auch später vom DDR-Regime weiter genutzt. Es ist keine einfache Schwarz-Weiß-Geschichte, die der Erinnerungsort da zu erzählen hat: So inhaftierten die sowjetischen Besatzer nicht nur NS-Täter- und Täterinnen, sondern auch Menschen, die das neue System kritisierten. Der Großteil davon wurde nie vor ein Gericht gestellt. Während der DDR-Zeit wiederum saßen in Fort Zinna politische Häftlinge neben den Kriminellen ein - selbst wenn das SED-Regime betonte, dass es in der DDR keine politischen Häftlinge gäbe...
Gewalt und Willkür sind wiederkehrende Themen in allen Ausstellungsabschnitten. Aber auch von Widerstand und Menschlichkeit kann erzählt werden! Etwas ganz Besonderes sind die wenigen überlieferten Objekte. Darunter ein Brotwürfel, den Wilhelm von Westphalen, ein Gefangener der NS-Zeit, sein Leben lang aufbewahrt und in Ehren gehalten hat. Bei unserem Besuch durften wir ihn genau anschauen. Es ist nur ein Würfel - und zugleich ein kleines Zeichen der Selbstbestimmung im rigiden und oft menschenverachtenden Haftallag.
Wir entwickeln mit dem Erinnerungsort die Audioführung in zwei Sprachen sowie eine Audiodeskription der Ausstellung und eine Führung in Leichter Sprache.